„Gruppenarbeit sucks?“ – Gedanken zu einem unterschätzten Lernformat

Gruppenarbeit, das klingt erstmal nach gemeinsamen Ideen entwickeln, einander unterstützen, voneinander lernen. Ganz nach dem Motto: Gemeinsam schafft man mehr als allein. In der Realität sieht es aber oft ganz anders aus. Frust, Überforderung, fehlende Abstimmung. Studierende berichten: „Ich hab alles allein gemacht.“ Oder: „Wir wussten gar nicht, wie wir anfangen sollen.“ Lehrende erleben Gruppen, in denen einzelne die gesamte Arbeit schultern, Abgaben, die nicht zusammenpassen, oder Studierende, die mehr mit Organisation als mit Inhalt beschäftigt sind. Statt kollaborativem Arbeiten entsteht häufig ein Gefühl von Chaos, Ungleichgewicht oder Unsicherheit und das bei allen Beteiligten.

Woran liegt das? Und vor allem: Wie lässt sich das verändern?

In meinem Studium habe ich viele Gruppenarbeiten erlebt und ich habe festgestellt: Es sind selten die Inhalte, die Probleme machen. Es ist der Umgang miteinander. Das eigentliche Chaos beginnt oft schon vor dem ersten Treffen:
Was ist unser Ziel? Wer übernimmt welche Rolle? Wie kommunizieren wir miteinander? Wie gehen wir mit Feedback um?
Diese Fragen bleiben häufig offen und genau da könnte der Schlüssel zum positiven Miteinander liegen.

Fünf Hebel für bessere Gruppenarbeit
Was Gruppenarbeit braucht, sind keine revolutionären Methoden, sondern ein besseres Bewusstsein für das, was in Gruppen tatsächlich passiert und kleine, gezielte Interventionen, die genau dort ansetzen.

1. Rollen klären
Unklare Rollen führen zu Frust und ungleicher Verteilung. Eine einfache Rollenvergabe zu Beginn, wer moderiert, wer dokumentiert, wer achtet auf die Zeit, das kann enorm helfen. Diese Rollen können rotieren, wichtig ist nur, dass sie überhaupt benannt werden. So entsteht Struktur.

2. Erwartungen abgleichen
Jedes Gruppenmitglied bringt eigene Vorerfahrungen, Zeitressourcen und Vorstellungen mit. Ein kurzer gemeinsamer Einstieg hilft, Klarheit zu schaffen:
Was ist mir bei der Zusammenarbeit wichtig? Wie oft wollen wir uns treffen? Bevorzuge ich feste Aufgaben oder arbeite ich lieber flexibel? Wie gehe ich mit Konflikten um?
Solche Fragen schaffen Verbindlichkeit und senken das Risiko späterer Konflikte.

3. Mini-Reflexionen einbauen
Viele Gruppen arbeiten durch bis zur Abgabe und merken erst danach, was nicht funktioniert hat. Dabei reichen schon kurze Reflexionen nach jedem Treffen:
Was lief gut? Was war anstrengend? Was nehmen wir uns fürs nächste Mal vor?
Diese kleinen Schleifen machen Prozesse sichtbar, ermöglichen Feedback und fördern eine offene Gruppenkultur.

4. Die Aufgabe gemeinsam verstehen
Oft starten Gruppen, ohne ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe zu haben. Dabei ist das zentral:
Wer bringt welches Vorwissen mit? Wo gibt es offene Fragen? Wie interpretieren wir den Arbeitsauftrag?
Erst wenn eine gemeinsame Lesart entsteht, kann die Gruppe als Einheit agieren. Sonst arbeiten alle nebeneinanderher.

5. Den Umgang mit Spannungen normalisieren
Reibung ist normal und kann produktiv sein. Aber nur, wenn wir einen Umgang damit finden. Klare Rituale können helfen:
eine kurze Stimmungsrunde, ein Check-in zu Beginn oder eine moderierte Klärungszeit bei Bedarf.
So wird Reibung gestaltbar, nicht lähmend.

Diese fünf Hebel, Rollenklärung, Erwartungsabgleich, Mini-Reflexionen, Aufgabenverständnis und Konfliktkultur, sind keine abstrakten Konzepte. Sie lassen sich in jeder Seminargruppe anwenden.
Ich bin überzeugt: Gruppenarbeit muss nicht stressig, unklar oder ungerecht sein. Aber sie wird es bleiben, wenn wir sie nicht bewusst strukturieren.

Und was ist mit digitalen Tools?
Digitale Tools können Gruppenarbeit unterstützen, beispielsweise als Strukturhilfe.
Ob es darum geht, sich effizient abzustimmen, Rollen sichtbar zu machen, gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten oder Reflexionen zu strukturieren: Digitale Werkzeuge sind dann sinnvoll, wenn sie Gruppen handlungsfähiger machen.
Wichtig ist dabei nicht die Technik selbst, sondern wie sie genutzt wird.

Es lässt sich festhalten: Gruppenarbeit ist nicht per se schlecht. Sie braucht nur bessere Rahmenbedingungen.

Deshalb: Let’s fix it.
Mit kleinen, konkreten Impulsen, die Zusammenarbeit leichter und wertschätzender machen.
Wir Lotsen sind gerade dabei passendes Material zu erstellen, also seid gespannt!

Mich interessiert: Was braucht ihr, damit Gruppenarbeit für euch besser funktioniert? Welche Formate oder Unterstützungsangebote würdet ihr euch wünschen?
Schreibt uns eure Ideen gerne per Mail: learninglotsen@uni-hildesheim.de

~ Johanna Boick

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